Für eine Handvoll Stühle

Die Rialto Lichtspiele nehmen Abschied für immer

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Stühle mit Vergangenheit, Foto: Dirk Rexer

Tief dunkel und düster hängen die Wolken über dem Reiherstiegviertel in Hamburg Wilhelmsburg an jenem 20. November 2016. Fast so, als wenn sie ihre Trauerbekundung damit ausdrücken wollten. Denn an diesem Sonntag fand die letzte öffentliche Veranstaltung in den Rialto Lichtspielen statt. Es wurden Relikte der über 100 Jahre alten Wilhelmsburger Kinokultur verlost. Hier in erster Linie die alten Kord-Samt-Stühle des Kinos im Rahmen der 338. Veranstaltung seit der Reaktivierung 2013.

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Viele Freunde und Kinoliebhaber hatten sich eingefunden, um ein „letztes Stück Rialto“ mit nach Hause zu nehmen. Organisator und Vorbesitzer des Rialto, Stephan Reifenrath, hatte zu dieser letzten Veranstaltung eingeladen, um dem Lichtspielhaus seine letzte Ehre zu erweisen. Als 2013 das Rialto wiedereröffnet wurde, war die Triebfeder vor allem der Zauber, diese „alte Dame“, wie Stefan Reifenrath sie liebevoll nennt, für einige Momente mit Licht und Leben zu erwecken. Ein Stück Kultur, das über Generationen vielen Wilhelmsburgern schöne Momente schenkte.

Blick ins Foyer, Foto: Dirk Rexer

Verstaubt und verlassen – das erste und vorerst letzte Filmtheater in Wilhelmsburg

Dabei hatten die Rialto Lichtspiele schon bessere Zeiten erlebt als in ihrem Ableben 1987, denn in diesen letzten Jahren wurden fast nur noch B-Movies gespielt.
Begonnen hatte alles, als das Haus 1909 als Reiher Theater erbaut wurde. Ab 1913 wurde es zum Lichtspielhaus und ab 1921 war es dauerhafte Spielstätte für Stummfilme.
1956 war es eines der ersten Hamburger Kinos, die auf Breitbildformat umstellten – damals revolutionär. Verstummt und in den Tiefschlaf gesunken ist es dann Ende der 80er Jahre, als das Interesse am Kino nachließ und viele Lichtspielhäuser mangels Zuschauer ihre Türen schließen mussten.
Verlassen und abgeschlossen, ohne dass es je ausgeräumt wurde, trieb es in die Ungewissheit. So blieben z.B. die alten Philips Filmprojektoren samt Filmrollen und Schaudias an ihrem Platz und moderten vor sich hin.

Aus dem Schlaf gerissen

Es war ein besonderer Moment, als 2013 das Kino aus seinem 26-jährigem Tiefschlaf gerissen wurde. Und das nur für eine Spielsaison!
Es war eine verrückte Idee, für nur 180 Tage mit einer bunten Mischung aus Konzerten, Vorlesungen und ausgesuchtem Kinoprogramm das Rialto wiederzubeleben.
Von der Renovierung der verfallenen Räumlichkeiten, vom Dach mal ganz abgesehen, wurde viel Arbeit und Herzblut in das Projekt gesteckt. Die Spuren der Vergangenheit brachten auch Kurioses an den Tag, wie zum Beispiel den versteckten Stuck unter der heruntergezogenen Decke im Foyer.
Trotz vieler Sponsoren, Helfer und Unterstützer vor Ort hatte das Rialto leider keinen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.
Fast 125.000 Euro waren durch Spenden zusammen gekommen. Auflagen von der Baubehörde und weitere notwendige Sanierungsmaßnahmen erschwerten zusätzlich eine Weiterführung.

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Kassenhäuschen, Foto: Dirk Rexer

An diesem Sonntag im November konnte man in dem düsteren Kinosaal viele bedrückte und nachdenkliche Gesichter sehen. Aber man sah auch Lächeln und stolze Gesten derer, die einige von den über 140 Stühlen per Los ihr Eigen nennen konnten. Alle nahmen Abschied von einem Stück Wilhelmsburg, und das taten sie in würdevoller Form.Die Erlöse aus dem Losverkauf wurden dem Kinderkino in der Honigfabrik und den Insel-Lichtspielen gespendet. Vielleicht war es ein Zeichen, am Ende dieses Nachmittags einen Schnipsel des Films „Verdammt in alle Ewigkeit“ gefunden zu haben. Denn es ist „verdammt“ schade um ein weiteres verlorenes Stück Hamburger Kinokultur. Adieu Rialto!

Letztes Probesitzen, Foto: Dirk Rexer

In Zukunft ein Ort der Begegnung

Das Rialto wird zum Wohnprojekt. Auf dem Grundstück im Reiherstiegviertel (Vogelhüttendeich, Ecke Mokrystraße) ist nach dem Kauf durch Konrad Grevenkamp ein neues Wohnprojekt entstanden. Die Sanierung des Eckhauses begann 2015. Im März 2017 wird dann die Kinozeile abgerissen und durch einen Neubau mit Wohnungen ersetzt – so erweitert sich das GoMokry.
Die Projektidee: Ein Haus kaufen, sanieren und für den Stadtteil Wilhelmsburg öffnen. Wie die Gruppe es geschafft hat, alle Interessenskonflikte zu überwinden und ob alle Ziele erreicht wurden, erzählt uns einer der Bewohner, Lasse Dallmann.

https://www.youtube.com/watch?v=zu6whUJgsX4&index=7&list=PL3k-vp8y4t2t4P_LeUi9Vd65DWbkWDGsd

„Viele WilhelmsburgerInnen verbinden viel mit dieser Ecke und sind sehr interessiert daran, was hier nun passiert“, sagt Martina Helmke von der Initiative „Projekt Rialto“, die sich als Gruppe für das Wohnen im Rialto-Neubau bewirbt. Viele Anwohner stimmt es traurig, dass auf dem Grundstück lange Zeit nichts passiert sei. Die Initiative will nun den Dialog mit den Menschen aus dem Stadtteil suchen und auch kritische Perspektiven diskutieren. Auf den öffentlichen Flächen im Erdgeschoss, dort wo das Rialto-Kino flimmerte, soll ein Raum für den ganzem Stadtteil entstehen. Vielleicht wird dieser dann auch für Filmabende genutzt, an einem Ort mit kultureller Vergangenheit.

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Foto: Dirk Rexer

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Foto: Dirk Rexer

Brodschrangen – Keimzelle der Bäckereien in Hamburg?

Hamburger Straßengeschichte.

Brodschrangen – ist eine kleinen Straße, die von der Zollenbrücke Richtung Rathausmarkt (Altstadt) führt.
In dieser Straße wurde schon 1256 fleißig gebacken …und zu dieser Zeit gab schon so etwas Ähnliches wie den Euro – einen hanseatischen Euro.
Hamburg und Lübeck vereinbarten 1255 eine gemeinsame Währung – die lübisch-hamburgische Mark – und bestimmen wie viel Silber die Münzen enthalten müssen. [1]

Zurück zum Brot.
Man nannte daher die Ecke auch „Markt der Bäcker“. Bro(d)tleibe wurden vornehmlich „aus dem Fenster“ verkauft oder von Hamburger Deerns an Verkaufsständen, sogenannten „Schrangen“ angeboten.

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Brodschrangen Zeitreise @Parallelräume/Dirk Rexer

Im Haus Nr. 5 gab es einen der ersten Supermärkte. Anfang des 19. Jahrhunderts führte Theodor Hopf mit seinem „Waaren-Magazin“ praktisch eine Art „Ur-Discounter“. Ob er auch Backwaren im Angebot hatte ist nicht bekannt.
Vom Bro(d)t zum Fisch. in der Brodschrangen gibt es seit den 1840er Jahren eine Hamburger Institution – Cölln’s Restaurant – der Treffpunkt für Liebhaber von Austern, Hummer und Kaviar.
Wie wär’s mit einer Kanalarbeiterschnitte?
 Klassisches Rinderfilet-Tatar, kurz übergebraten auf Schwarzbrot, serviert mit Sauerrahm, Kapern, Zwiebeln, Rote Bete und Salzgurke – dazu Cölln’s Kaviar
Die Geschichte des Restaurants begann 1760. In diesem Jahr gründete der Hamburger Fischhändler Hinrich Brügmann im Haus Brodschrangen Nr. 1 ein Fischgeschäft. Des Weiteren handelte Hinrich Brügmann mit Austern. Seine Enkelin heiratete 1837 einen gewisser Johann Cölln der im Haus Brodschrangen Nr. 1 ein Restaurants aufmachte.
Übrigens: Cölln’s Filetmittelstück, in Butter geröstete Zwiebeln und Cölln’s Bratkartoffeln – hat bereits Johann Cölln vor rund 145 Jahren seine Gästen serviert. [2]
Seit Januar 2016 ist diese Hamburger Institution nun Geschichte. Der Betreiber Holger Urmersbach gab aus Altersgründen den Betrieb auf.

Quellen:
 [1] Ernst Christian Schütt: Die Chronik Hamburgs; Chronik Verlag
[2]

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